Forscher entwickeln widerstandsfähigen Werkstoff mit Wolfram und Hafnium zum Einsatz in Fusionsreaktoren, die heißer als das Innere der Sonne sind.
Die Kernfusion gilt als „Heiliger Gral“ der Energieerzeugung – nahezu unerschöpflich, CO2-neutral und ohne Sicherheitsrisiken wie die Kernkraft. Der Prozess, bei dem Atomkerne miteinander verschmelzen, findet auf natürliche Weise im Inneren von Sternen wie der Sonne statt und versorgt diese seit Jahrmilliarden mit Energie. Seit Jahrzehnten arbeitet die Forschung daran, Kernfusion auf der Erde zu kopieren. Wie wir berichteten, meldeten US-Wissenschaftler Ende des letzten Jahres einen Durchbruch auf diesem Weg.
Nun ist ein weiteres mögliches Puzzleteil hinzugekommen: Ein internationales Forschungsteam hat eine Legierung entwickelt, die in Fusionsreaktoren eingesetzt werden und so zur Nutzbarmachung der dort erzeugten Energie beitragen könnte. Das Material habe sich unter Bedingungen bewährt, die denen in Prototypen dieser Reaktoren ähneln, wo starke Strahlung und höhere Temperaturen als im Inneren der Sonne herrschen, erklärt Projektleiter Osman El Atwani vom Los Alamos National Laboratory im US-Bundesstaat New Mexico. Für diese extreme Widerstandsfähigkeit sorgen die enthaltenen Rohstoffe Wolfram und Hafnium , die weiteren Bestandteile sind Tantal, Chrom und Vanadium.
Wolfram weist mit über 3.400 Grad Celsius den höchsten Schmelzpunkt aller Elemente auf und ist der Hauptbestandteil der Legierung. Bisherige Wolframwerkstoffe würden sich unter Fusionsbedingungen jedoch zersetzen und verformen, so El Atwani. Um ein geeigneteres Material zu entwickeln, berechneten die Wissenschaftler unter anderem die thermophysikalischen Eigenschaften und nutzten Simulationen, durchgeführt an mehreren Einrichtungen wie Los Alamos, der britischen Atomenergiebehörde, der Clemson University in South Carolina und der Universität Warschau.
Bereits kleine Zugaben von Hafnium optimieren die Legierung
Auf Grundlage der so vorhergesagten Leistung wurde schließlich Hafnium als Zusatz für die Legierung ausgewählt. Das Element besitzt mit über 2.200 Grad Celsius ebenfalls einen hohen Schmelzpunkt und findet vor allem in den extrem heißen Umgebungen von Kernreaktoren und Flugzeugturbinen Einsatz, letzteres Anwendungsgebiet treibt derzeit die Nachfrage nach dem Technologiemetall massiv an.
Bereits geringfügige Beigaben von Hafnium hätten zu einer höheren Strahlungsbeständigkeit geführt, heißt es in der Mitteilung des Los Alamos National Laboratory. Anschließende Experimente unter Bedingungen, die einen Prototyp für die Kernfusion nachbilden, hätten die Praxistauglichkeit der Legierung demonstriert.
Die Ergebnisse stimmten mit der vorangegangenen Modellierung überein, sagt Enrique Martinez, Materialwissenschaftler an der Clemson University. Dieses Vorgehen hätte die Anzahl der Experimente, die zur Bewertung der Leistungsfähigkeit des Materials nötig seien, erheblich reduziert. Die Forschungsergebnisse weisen außerdem den Weg zur Entwicklung weiterer Legierungen, so El Atwani – ein wesentlicher Schritt, um die Erzeugung von Fusionsenergie kosteneffizienter und attraktiver für Investoren zu machen.
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