Mehr heimischer Abbau, Recycling und Rohstoffpartnerschaften: Die künftige Bundesregierung setzt auf altbekannte Lösungsvorschläge zur Stärkung der Lieferketten. Nationaler Rohstofffonds soll zusätzliche Mittel erhalten.
Gut sechs Wochen nach der Bundestagswahl haben CDU/CSU und SPD sich am Mittwoch auf einen Koalitionsvertrag (PDF) geeinigt. Als einen Kernpunkt ihrer künftigen Politik haben sich die Parteien die Stärkung des Industriestandorts Deutschland auf die Fahnen geschrieben. Einen wichtigen strategischen Aspekt bildet hier wiederum die Sicherung der Rohstoffversorgung.
Mehr Kreislaufwirtschaft, den Verbrauch primärer Rohstoffe reduzieren, Importe diversifizieren – diese Ziele gibt die Bundesregierung in spe an. Handels- und Rohstoffpartnerschaften sollen „auf Augenhöhe“ abgeschlossen werden, Genehmigungsverfahren zur Gewinnung heimischer Ressourcen erleichtert. Um diese Projekte voranzutreiben, soll zudem der nationale Rohstofffonds, aufgesetzt im letzten Herbst, mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet werden. Bislang ist für die Förderung von Abbau, Weiterverarbeitung und Recycling im In- und Ausland eine Milliarde Euro vorgesehen. Nicht angetastet werden sollen hingegen die Rohstoffvorkommen in der Tiefsee: Bis zur ausreichenden Erforschung der Folgen des Deep-Sea-Mining will die künftige Regierung von dieser Art der Ressourcengewinnung absehen. Ferner streben die Parteien an, die Bevorratung wichtiger Rohstoffe zu erleichtern.
Die meisten genannten Ansätze finden sich bereits im EU-Rohstoffgesetz Critical Raw Materials Act. So wird im Koalitionsvertrag auch davon gesprochen, die Gewinnung strategisch wichtiger Rohstoffe in der EU auf allen Ebenen verbessern zu wollen. Konkreter wird es allerdings nicht. Insgesamt fällt der Begriff „Rohstoff“ nur 13-mal. Explizit werden nur hochreine Salze und Lithium genannt, zudem das Potential der Gasförderung in Deutschland.
Rohstoffversorgung nimmt vergleichsweise wenig Raum im Koalitionsvertrag ein
Angesichts der aktuellen und weltweit geführten Debatten über Seltene Erden aus Grönland oder der Ukraine mag es verwundern, dass hier vergleichsweise oberflächlich und vor allem über Batterierohstoffe bzw. die dazugehörige Lieferkette gesprochen wird. Denn der Standort Deutschland mit seiner traditionell starken Autoindustrie ist in hohem Maß abhängig von importierten Seltenerdkomponenten, so etwa für Elektromotoren. Zudem ist die Versorgung mit kritischen Rohstoffen spätestens seit dem Krieg in der Ukraine auf der politischen Agenda Deutschlands und Europas nach oben gerückt. Doch bereits im Koalitionsvertrag (PDF) der Vorgängerregierung wurden Rohstoffe nur knapp zehnmal genannt, auch die angekündigten Maßnahmen glichen sich: Kreislaufwirtschaft, Senkung des primären Rohstoffverbrauchs, mehr heimischer Abbau, Diversifizierung der Importquellen. Eine Prüfung zur Umweltverträglichkeit des Tiefseebergbaus forderten SPD, Grüne und FDP ebenfalls.
Zum Vergleich: Im Vertragswerk von 2013 (PDF) – auch damals koalierten CDU/CSU und SPD – sind Rohstoffe an fast 50 Stellen genannt, darunter explizit Seltene Erden. Die Importabhängigkeit der deutschen Industrie und die zunehmende globale Konkurrenz um Ressourcen werden ausführlich thematisiert, neben den bekannten Maßnahmen wie Recycling und Rohstoffabbau im Inland gehen weitere Ankündigungen deutlich mehr ins Detail.
Droht 2030 ein böses Erwachen?
Dass der Rohstoffbedarf jedoch weiter steigen wird, ergibt sich beispielsweise aus den angekündigten Maßnahmen der aktuellen Koalitionspartner zur Stärkung der Autoindustrie. So wird auf Technologieoffenheit bei Antrieben gesetzt, gleichzeitig werden Kaufanreize für E-Autos angekündigt und die Förderung von Plug-in-Hybriden. Eine Bedarfsverschiebung bei Rohstoffen könnte sich zudem aus der Dekarbonisierung des Schwerlast-, Flug- und Schiffsverkehrs ergeben. Hier soll unter anderem Wasserstoff zum Einsatz kommen, für seine Herstellung werden Platingruppenmetalle für Elektrolysevorgänge benötigt.
Den Ausbau Erneuerbarer Energien in Deutschland will die Bundesregierung in spe ebenfalls fortsetzen, allen voran werden Solar- und Windkraft genannt. Auch diese Technologien sind in großem Maße auf kritische Rohstoffe angewiesen, in den meisten Windturbinen etwa sind Permanentmagneten auf Basis Seltener Erden verbaut, Solarmodule bestehen aus Materialien wie Silizium, Silber, Gallium und Indium.
Deutschland und die EU stehen bei der Rohstoffförderung, aber auch der Raffination unter gewaltigem Druck, denn die Vorgaben des europäischen Gesetzes über kritische Rohstoffe werden ab 2030 verbindlich. Einen Teil der Last – zehn Prozent Förderung, 40 Prozent Weiterverarbeitung und 25 Prozent Recycling des EU-Gesamtbedarfs – wird auch Deutschland schultern müssen. Ob die jetzt vorgeschlagenen und in dieser Form noch sehr unkonkreten Maßnahmen dafür ausreichend sind, darf durchaus angezweifelt werden. Denn für Seltene Erden geht die EU in der kommenden Dekade von einer Verzehnfachung des Bedarfs aus, bei Lithium im gleichen Zeitraum von einer Verzwölffachung.
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